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Urlaub langzeiterkrankter Arbeitnehmer und Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers

In einer wichtigen Entscheidung vom 07.09.2021 (AZ: 9 AZR3/21) hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zu den Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Erteilung von Urlaub weiter fortgesetzt.

In der Sache stritten die Parteien über die Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2015 bis 2017. Das Arbeitsverhältnis bestand vom 01.11.2001 bis zum 31.12.2019 zwischen den Parteien. In der Zeit vom 18.11.2015 bis zum 31.12.2019 war der klagende Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Die Arbeitgeberin gewährte ihm im Jahr 2015 teilweise Urlaub. In den Jahren 2016 und 2017 war dies jedoch aufgrund der Erkrankung des Arbeitnehmers nicht der Fall. Die Arbeitgeberinnen hat den Arbeitnehmer zu keinem Zeitpunkt aufgefordert, Urlaub zu nehmen und ihn auch nicht darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums verfallen kann.

Das Bundesarbeitsgericht hat die auf die Urlaubsabgeltung gerichtete Klage hinsichtlich der Jahre 2016 und 2017 abgewiesen und das Verfahren in Bezug auf die Abgeltung des Urlaubs für das Jahr 2015 ausgesetzt, weil hier zunächst noch der Ausgang eines Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH abzuwarten war.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes waren die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers betreffend die Jahre 2016 und 2017 am 31.03.2018 bzw. 31.03.2019 verfallen. Hintergrund hierfür sei, dass der bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern über das Ende des Urlaubsjahres und des Übertragungszeitraums hinaus aufrechterhaltene Urlaubsanspruch zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzutrete und bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres verfalle. Dieser Befund entspricht inzwischen gefestigter Rechtsprechung. Das Bundesarbeitsgericht stellte jedoch klar, dass diese Rechtsfolge nur dann eintritt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordert, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht rechtzeitig beantragt. Die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers bestünden nämlich grundsätzlich auch, wenn und solange der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist. Dennoch – so das Bundesarbeitsgericht – tritt ein Verfall des Urlaubsanspruchs unabhängig von der Erfüllung der vorgenannten Obliegenheiten ein, wenn es objektiv unmöglich gewesen wäre, den Arbeitnehmer durch die Mitwirkung des Arbeitgebers in die Lage zu versetzen, den Urlaubsanspruch zu realisieren. Dies wiederum sei der Fall, wenn eine bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres durchgehende Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bestehe. Dann nämlich sei nicht die unterlassene Mitwirkung des Arbeitgebers, sondern die Arbeitsunfähigkeit kausal für die fehlende Möglichkeit des Arbeitnehmers, den Urlaubsanspruch zu realisieren.

Es ist erfreulich, dass das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern präzisiert hat. Die Entscheidung überzeugt, da die von der Rechtsprechung entwickelten Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten bei dauernd arbeitsunfähigen Arbeitnehmern für die Urlaubserteilung keinerlei Relevanz haben. Auch ohne Erfüllung dieser Obliegenheiten kommt es deshalb in diesen Fällen zum Verfall des Urlaubs nach den bisherigen Regeln.

Zu beachten ist aber, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung offenließ, ob die vorgenannten Obliegenheiten des Arbeitgebers bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern einem Verfall des Urlaubs nach 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres entgegenstehen, soweit der Urlaub noch im Vorfeld der langfristigen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers entstanden und nicht genommen werden konnte. Hier bleibt die weitere Rechtsprechung deshalb abzuwarten. Außerdem ist von Bedeutung, dass eine durchgehende Erkrankung des Arbeitnehmers über den 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres erst im Nachhinein feststellbar ist. An dieser Stelle besteht deshalb ein (vermeidbares) Risiko für Arbeitgeber, den Urlaub ggfs. doch noch abgelten oder erfüllen zu müssen, wenn sie bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern der Erfüllung ihrer Obliegenheiten im vorgenannten Sinne nicht nachgekommen sind.



Eingestellt am 03.02.2022
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